EL-Invasion bei Olympic Marseille (2:2) am 08.11.2012
Das zweite Auswärtsspiel in der Europa League Gruppenphase führte in die mehr als 850 000 Einwohner zählende zweitgrößte Stadt Frankreichs. Es ist die wichtigste Hafenstadt des Landes, die auch als „Tor zum Mittelmeer“ bezeichnet wird, da sie an einer Mittelmeerbucht in der Nähe der Rhonemündung liegt. Ligurische Fürsten schenkten den natürlichen Hafen vor über 2 500 Jahren griechischen Seehändlern, da die meist schroffe und felsige Küstenlandschaft wenige Möglichkeiten bot, die Galeeren vor Wind und Wellen zu schützen. Die Griechen gründeten dort eine dauerhaft bewohnte Handelspräsenz mit Namen Massalia und legten so den Grundstein für die Stadt. Julius Cäsar eroberte Massalia, gliederte es der Provinz Narbonesis an und sie war so ein Bestandteil bis zum Ende des römischen Reichs. Später fiel die Stadt an die Westgoten, an die Ostgoten, die Franken und Niederburgund ehe die Sarazenen, bei der islamischen Expansion, die Stadt zerstörten. Im 10.Jahrhundert erfolgte der Wideraufbau und 1481 kam es zur Vereinigung mit Frankreich. 1792 schickte die Stadt während der französischen Revolution etwa 500 freiwillige Kämpfer zur Unterstützung der neuen Regierung nach Paris. Dort sangen sie ein Lied, welches als Marseillaise bekannt und 1795 zur französischen Nationalhymne erklärt wurde.
Nach der Kapitulation Frankreichs vor der Wehrmacht erließ Himmler die Anweisung, den Großteil der historischen Altstadt (Vieux Port) zu sprengen. Daraufhin wurden 1924 Gebäude zerstört und 27 000 Einwohner zwangsumgesiedelt. Am 28.08.1944 kapitulierten die deutschen Besatzer gegenüber den Truppen des Freien Frankreichs, dessen Gründer General Charles de Gaulle war. Es folgten ein Wiederaufbau und ein stetiges Wachsen der Stadt. Die Stadt wird durch Einwanderer, meist aus ehemaligen französischen Kolonien, geprägt und pflegt seit 1958 eine Städtepartnerschaft mit Hamburg.
Zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt zählt heute das Chateau d’If, welches eine Festung und ehemaliges Gefängnis war und zu Weltruhm durch den Roman „Der Graf von Monte Christo“ von Dumas gelangte, die Marien-Wallfahrtskirche Notre Dame de la Garde auf einer Anhöhe und weithin sichtbar sowie dem Stade Velodrom, dem größten Stadion einer Vereinsmannschaft in Frankreich. Das Stadion wurde 1938 für die Fußballweltmeisterschaft mit der namensgebenden Radrennbahn gebaut, welche im Zuge der Umbaumaßnahmen zur Fußballweltmeisterschaft 1998 abgerissen wurde. Derzeit erfolgen weitere Umbaumaßnahmen, die zu Beginn der Fußballeuropameisterschaft 2016 beendet sein sollen und an dessen Ende das Stadion erweitert und überdacht sein wird.
Viele Borussen wollten sich dieses Spiel nicht entgehen lassen, unter ihnen mehr als 30 Borussen aus Mitteldeutschland. Für sie führte die Reiseroute von Berlin aus über Paris mit der Fluggesellschaft Air France in die Stadt am Mittelmeer. Man quartierte sich in der Nähe des Kopfbahnhofes Saint Charles ein und einige erkundeten die Stadt, trafen dabei viele Borussen und machten eine Stadtrundfahrt, bevor es gemeinsam mit Taxen zum Treffpunkt am Plages du Prado ging. Leider erstickte die Stadt mal wieder im Verkehr und so erreichte man verspätet den Treffpunkt. Da war bereits bei angenehmen Temperaturen und Sonnenschein ein Gruppenfoto mit den vielen Borussenfans gemacht und ein Versuch, den Marsch zum Stadion schon zu beginnen, mit Einsatz von Pfefferspray durch die hiesige Polizei vereitelt wurden. Diejenigen, die sich noch ein Bier am Strand kauften, wurden unfreiwillig Zeugen eines tragischen Unglücks. Ein Borusse verstarb beim Baden im Mittelmeer und auch die Wiederbelebungsversuche scheiterten. Unser Beileid den Hinterbliebenen.
Viele Borussen hatten davon nichts mitbekommen, denn der Corteo, ein gemeinsamer Fußmarsch der Fans zum Stadion, hatte da schon längst begonnen. Unterwegs wurden Lieder gesungen und man stimmte sich auf das bevorstehende Spiel ein. Leider durften die Teilnehmer aber nicht zu den Imbissständen an der Wegstrecke, dies ließen die Sicherheitskräfte nicht zu. Mit knurrenden Mägen begaben sich die meisten direkt zum Gästeeingang, wo man viele bekannte Gesichter traf. Die Strecke bis zum Gästeblock war nicht kurz, denn man wurde quasi um das Stadion geführt. Erst an den vielen Bussen aus der Heimat vorbei, um dann eine Stunde vor Spielbeginn immer noch vor verschlossenen Türen zu warten. Als es endlich los ging, herrschte dadurch ein dichtes Gedränge, da nun fast alle Borussen zeitgleich rein wollten. Man war aber immer noch nicht im Stadion, denn nun musste man noch eine Halle durchqueren, in der sich die Einlasskontrollen befanden und kurz vorher Pfefferspray eingesetzt wurde. Ein Teil der Ordnungskräfte hatte noch die Masken auf und die unbeteiligten Fans liefen die Tränen und das Atmen war unangenehm. Irgendwann hatten es alle geschafft und jeder fand einen Platz im Stadion. Die Banner wurden angebracht und die Mannschaften begrüßt.
Zum Spiel: Die erste Chance im Spiel hatte die Fohlen. Patrick Herrmann setzte sich auf der linken Seite gut durch und spielte auf den einschussbereiten Mike Hanke, die Fußspitze eines Abwehrspielers verhinderte die Torchance. Die Gastgeber kamen zusehends ins Spiel und erarbeiteten sich einige Chancen, meist durch Standardsituationen. So verhinderte Oscar Wendt einen Rückstand und klärte auf der Torlinie. Der erste Treffer fiel dann nach einem Konter unserer Borussen, wobei ein Abwehrspieler Marseilles eigentlich den Ball schon sicher hatte. Juan Arango setzte nach und verstand es, dem Franzosen Cheyrou den Ball im Strafraum wegzunehmen und gleich auf Mike Hanke zu spielen. Dieser ließ sich die Chance nicht nehmen und das erste internationale Auswärtstor nach 16 Jahren war erzielt. Die über 3 000 mitgereisten Borussen lagen sich in den Armen. War hier ein Auswärtssieg möglich! Unsere Fohlen zogen sich zurück und die Gastgeber fanden bis zur Halbzeit nicht mehr ins Spiel. Es blieb bei dem einen Treffer bis zum Halbzeitpfiff.
In der zweiten Halbzeit erhöhten die Franzosen erwartungsgemäß den Druck und wurden nach einer Standardsituation belohnt. Während Thorben Marx an der Außenlinie behandelt wurde, traf Marseilles Barton mit einer Ecke direkt ins Tor. Unsere Fohlen waren verunsichert und brauchten eine Weile, um wieder ins Spiel zu kommen. Leider erzielten dieser Situation die Hausherren aber den nächsten Treffer. Jordan Ayew lief ungestört am Strafraum entlang und sein anschließender Schuss landete unhaltbar für MAtS im Tor. Unser Trainer reagierte und brachte mit Peniel Mlapa, Igor de Camargo und Granit Xhaka neue Kräfte. Marseille ließ unsere Fohlen nun das Spiel machen und verlagerte sich auf Konter. Das Spiel ging, ohne einen weiteres Tor, bis in die Nachspielzeit hin und her. In der dritten Nachspielminute flankte Lukas Rupp in den Strafraum. Seine Flanke fand den Weg zu Juan Arango, dieser nahm Maß und ließ Marseilles Torhüter Mandana keine Chance. Quasi in der letzten Minute des Spiels fiel der Ausgleich. Der slowakische Schiedsrichter Ivan Kruzliak beendet danach das Spiel und im Block gab es kein Halten mehr.
Fazit: Am Ende überglücklich den Ausgleich geschafft, einen Punkt gesichert und damit im direkten Vergleich die Nase vorn.
Im Stadion feierte man das Unentschieden wie einen Sieg, erst noch mit der Mannschaft und später dann kurz noch mit Trainer Lucien Favre. Über eine Stunde musste man nach dem Spiel noch im Stadion verharren, aber mit dem einen gewonnen Punkt machten dies alle gern. Zu diesem Zeitpunkt wusste man noch nicht, dass sich der Rückweg noch einige Zeit hinziehen wird. Voller Hoffnung auf ein Taxi begab man sich an die Straßen ums Stadion. Leider gab es aber weit und breit keines und auch die Suche nach einem Restaurant gestaltete sich schwierig. Am Ende wurde die U-Bahn genommen und zur fortgeschrittenen Stunde gab es etwas zu Essen nur noch im Schnellrestaurant. An der Hotelbar nahm man noch einen Absacker und wenig später träumten alle vom Weiterkommen in der Europa-League. Am nächsten Tag machten nach dem Frühstück einige eine Stadtbesichtigung und gegen Mittag hieß es für die meisten Borussen, Sachen schnappen und zum Flughafen. Einige Borussen nutzten die Gelegenheit und blieben noch übers Wochenende in der Stadt. Irgendwann kamen auch sie daheim an und alle waren sich einig, davon wird man noch lange erzählen.